Wie lang sind chiropraktische Manipulationen in der Atlasregion bekannt?
Seit Daniel David Palmer, geboren 1845 in Kanada. Palmer, der 1897 das Palmer College der Chiropraktik (Davenport, Iowa) gründete, wurde immer wieder über einen Zusammenhang des Gesundheitszustandes und der biomechanischen Stellung des 1. Halswirbels (Atlas) zwischen Schädelbasis und des 2. Halswirbels (Axis) diskutiert. Der Grund war, dass bei den verschiedenen Manipulationstechniken in der Atlasregion häufig ein vielfältiges Behandlungsergebnis auftrat, welches man sich schulmedizinisch nicht erklären konnte.
Welche Funktion hat der Atlaswirbel?
Der Atlas (= Nicker) ist das zentrale Element der beiden Kopfgelenke. Er ist zum Schädel hin mit dem Hinterhauptsbein (Os occipitale) und nach unten mit dem Axis (= Dreher) durch einen hoch flexiblen Bandapparat verbunden. Dies ermöglicht dem Atlas eine freie Beweglichkeit über alle drei Ebenen des Raumes und die biomechanische Arbeit über sechs Gelenkanteile wie bei einem Kardangelenk. Mehr als zwanzig Muskelansätze am Atlasring und ein optimal angelegter Bandapparat übertragen die Kopfstützlast.
Um den Kopf zu tragen, werden Stützlast, Stoßdämpfung, Scherkräfte und Beweglichkeit in der Atlasregion nur muskulär bewältigt und gesteuert. Die eigentliche Stützfunktion für den bis zu fünf Kilogramm schweren Kopf übernehmen die Hals- sowie die Ringmuskulatur, die den Atlas umgeben. Neben der Schutzfunktion des zentralen Nervensystems sichert der Atlaswirbel die basale Blutversorgung des Gehirns über die beiden inneren Halswirbelsäulenarterien (Arteriae vertebrales interna). So wie ein Seehund einen Ball auf seiner Nase ständig im Gleichgewicht hält, steuert der Atlas weitgehend reibungsfrei das Offenhalten der beiden inneren Arterien bei jeder Kopfbewegung. Die hohe Mobilität des Kopfgelenkes beruht also auf dem biokybernetischen Zusammenspiel der äußeren Halsmuskulatur und der inneren Atlasringmuskulatur.
Gibt es weitere Therapieangebote in der Atlasregion?
Ja, es gibt eine zunehmende Zahl von Therapieangeboten in der Atlasregion, die teilweise nicht nur mit den Händen, sondern auch mit Geräten von einem Atlastherapeuten oder Atlastechniker durchgeführt werden. Sie versprechen nach einer einmaligen "Korrektur" der sogenannten „Fehlstellung“ des Atlaswirbels Beschwerdefreiheit. Ursprünglich aus einer chiropraktischen Anwendung heraus hat sich neben den Medizinerkollegen ein weites Feld sogenannter Atlastechniker entwickelt. Diese Anwendungen sind mit Vorsicht zu betrachten.
Wer darf die Atlastherapie anwenden?
EinAtlastherapeut ist ein ärztlicher oder heiltherapeutischer Spezialist, der auf Behandlungen des Atlas oder der Halswirbelsäule spezialisiert ist. Um eine Atlastherapie durchführen zu dürfen, ist eine abgeschlossene Chirotherapie-Ausbildung nötig. Für das Behandeln von Kindern und Babys muss zusätzlich ein Zertifikat im Rahmen einer Weiterbildung erworben werden. Da es sich bei dieser Therapie um einen ärztlichen Heileingriff im Sinne des Gesetzes handelt, darf sie nur von approbierten Ärzten mit der Zusatzausbildung 'Chiropraktik' durchgeführt werden.
Weshalb sprechen viele Therapeuten von einer „Atlasfehlstellung“?
Hier wird eine Fehlstellung des Atlaswirbels im Zusammenhang mit vielen Erkrankungen interpretiert. In der Medizin wird aber der Begriff Fehlstellung nur im Zusammenhang mit einer z. B. verkrümmten Wirbelsäule (Skoliose) genannt. Der Atlaswirbel mit seiner hohen Mobilität gleicht in den atlanto - occipitalen Gelenkanteilen diese biomechanische Funktionseinschränkung sogar positiv aus. Wird die carotis interna auf der linken oder rechten Seite eingeschränkt, wandert der Atlas hin und her, um diese Einschränkungen auszugleichen. Die äußeren Einflüsse auf unsere HWS sind entscheidend! Einseitige Belastungen der HWS-Muskulatur, eingeengtes Sitzen im Flugzeug, lange Autofahrten, langes Sitzen am PC, Fehlhaltungen durch anatomische Einschränkungen (z.B. Skoliose, Beinverkürzung etc) fordern vom Atlas ein ständiges Entgegenwirken, um die Gefäße freizuhalten. Das kann zu einer gravierenden Ermüdung der Atlasringmuskulatur führen, diese schafft die Gegenbewegung nicht mehr, der Ausgleich kann nicht gewährleistet werden und diverse Beschwerdebilder können auftreten. Manifestierte Problematiken können nicht mit einer einmaligen "Korrektur" des Atlaswirbels behoben werden!
Gibt es andere, medizinisch fundierte Therapien in der Atlasregion?
Ja, die Atlastherapie, die auf den Praktischen Arzt und Radiologen Dr. Albert Arlen zurückgeht, der Wirkungen eines oder mehrerer Impulse auf die Region des Hinterkopfs und des Nackenbereichs und die damit verbundene Besserung verschiedenster Beschwerdebilder beschrieb.
Zitat der Ärztegesellschaft für Manuelle Kinderbehandlung und Atlastherapie e.V.: "Die Atlastherapie geht als sanfte manuelle Therapiemethode für Kinder auf den elsässischen Arzt Dr. Arlen zurück. Sie zielt auf die Behandlung neumotorischer Störungen, die als tiefere Ursachen von Schmerzen im Bewegungsapparat Bedeutung haben, und wird altersunabhängig durchgeführt. Der Atlastherapeut übt manuelle Dehnreize aus, durch welche die Verspannungen dauerhaft beseitigt werden sollen. Durch eine Stimulation der Umgebung des Atlaswirbels werden zentrale neurophysiologische Schaltstellen angesprochen, deren Aktivierung für eine Verbesserung der Koordination und der Körperwahrnehmung sorgt. Bei der Atlastherapie nach Arlen kommen keinerlei Medikamente zum Einsatz. Sie zielt vielmehr auf die Lösung von Blockaden und somit auf die Selbstheilungskräfte des Organismus." Die ÄMKA wurde 1992 als wissenschaftliche Vereinigung manualmedizinisch ausgebildeter Ärzte gegründet.
Was unterscheidet die Atlastherapie nach Arlen und die Atlasmedizin nach Koerner?
Es gibt zwei wesentliche Unterschiede: 1. In der Atlasmedizin behandelt der Therapeut im Gegensatz zur Atlastherapie nicht dorsal (hinten) sondern ventral (vorne) zum Patienten und bildet mit dessen Kopf an seinem Brustbein während der Impulsgabe eine kontrollierte statische Einheit, um die energetische Informationsübertragung zu optimieren. Der Therapeut führt den Impuls unter extrem hoher Anspannung der Bauch- und Rückenmuskulatur durch. (Die energetische Bündelung ist vergleichbar mit der eines Karatekämpfers.) 2. Der Impuls, in der Atlasmedizin TBS-Impuls (temporary brain split), wird nacheinander auf den jeweiligen Körperseiten eingesetzt. In der Atlastherapie erfolgt meist ein einseitiger Impuls. Ein effektiv ausgeführter Impuls in der Atlasmedizin muss sofort in der jeweils therapierten Hirnhälfte die biophysikalischen Regelkreise im Sinne eines Bioresets optimal korrigieren. Somatisch spürt der Patient die positiven physischen und psychischen Veränderungen in einer eindeutigen körperlichen Halbseitenreaktion. Der TBS-Impuls ist schmerzfrei.
Mein ärztlicher Rat: Bitte suchen Sie bei unklaren akuten Beschwerden im Halswirbelsäulenbereich generell zunächst einen Facharzt auf, um Erkrankungen auszuschließen, die einen schulmedizinischen Eingriff unerlässlich machen.