Phänomen Atlaswirbel
Die Kraftverteilung in der Atlasregion
Im oberen Kopfgelenk zwischen Atlas (blau) und Schädel (rosa) fehlen die Bandscheiben (grau), die normalerweise wie eine Art Stoßdämpfer zwischen zwei Wirbelkörpern wirken. Und noch etwas ist bemerkenswert: Der Kopf liegt nicht auf dem Atlaswirbel auf. Vielmehr wird der Schädel allein durch die Bänder und Muskelkraft von Atlas- und Halsmuskulatur (rot) gehalten. Er „schwebt“ also. Der Atlas arbeitet somit biomechanisch betrachtet als Spannring für die Atlasmuskulatur (rot/grün), bei dem die auftretenden Scherkräfte (grün/blau) in der horizontalen Ebene über den ersten Halswirbel verteilt werden. Außerdem fungiert er gleichzeitig als Gleitführungswirbel zwischen den Kopfgelenken (rosa/gelb/blau), ohne dass es zu einer Druckbelastung auf den Gelenkflächen (gelb) kommt.
Kraftverteilung in der Atlasregion nach Koerner
Die tiefere Bedeutung dieser kleinen Sensation für die Behandlung von Kopf- und Nackenbeschwerden wird erst allmählich von der Fachwelt wahrgenommen. Die langjährige Auswertung von Röntgenbildern der Atlasregion hat zudem gezeigt, dass im Bereich des Kopfgelenkes keine nennenswerten Arthrosen entstehen. Um den Kopf zu tragen, werden Stützlast, Stoßdämpfung, Scherkräfte und Beweglichkeit in der Atlasregion nur muskulär bewältigt und gesteuert. Die eigentliche Stützfunktion für den bis zu fünf Kilogramm schweren Kopf übernehmen die Hals- sowie die Ringmuskulatur, die den Atlas umgibt.
Eine weitere funktionelle Hauptaufgabe der Atlasregion ist die Absicherung der zentralen Blutversorgung des Gehirns über die Arteria vertebralis. Diese paarig angelegte Halswirbelsäulenarterie entspringt in der Brusthöhle und läuft dann rechts und links in den Löchern der Querfortsätze der Halswirbelkörper zum Schädel. Am ersten Halswirbel, dem Atlas, schwenken beide Halswirbelsäulenarterien in einer Kurve um den hinteren Teil des Wirbelbogens und treten dort in die Schädelhöhle ein.
Um die zentrale Blutversorgung trotz hoher Mobilität in der Atlasregion zu gewährleisten, sind die neuronalen Steuerungssensoren der Atlasringmuskulatur mit der Gefäßwand der beiden stark abgeknickten inneren Versorgungsarterien eng verbunden.
Bei eingeschränkter Durchblutung in dieser Region können Störungen auftreten wie etwa Schwindel, der sehr häufig durch schnelle Kopfbewegungen ausgelöst wird. Des Weiteren kann es zu Okzipitalkopfschmerzen, Tinnitus, Hörverminderung, Sehstörungen, peripheren Sensibilitätsstörungen der oberen Extremitäten, Gangunsicherheit und vorübergehenden Sprachstörungen kommen.