DIE WELT
11.12.2003
Alle Hände voll zu tun
Von Carola Wittkowski
(Auszug)
Skirennläuferin Hilde Gerg verdankt ihr erfolgreiches Comeback der Alternativmedizin - Schwimm-Funktionäre lehnen sie ab
Irgendwann stand neben Beate Ludewig ein Mann am Beckenrand und behauptete, er könne ihre Schwimmer schneller machen. Trainerin Ludewig dachte damals nur: "Was ist das für ein Bekloppter?" Doch ihre Neugier überwog. Also setzte sich Beate Ludewig mit Roland Matthes, Schwimmlegende der DDR und praktizierender Sportarzt in Bayern, in Verbindung und erzählte von der merkwürdigen Begegnung mit Herbert Koerner in der Schwimmhalle im Europasportpark an der Landsberger Allee. Roland Matthes indes hatte schon gehört von Koerners Heilmethode, bei der sich durch Auflegen der Hände an den Halswirbeln schmerzlindernde Energieimpulse entwickeln. Er bestärkte Ludewig zu einem weiteren Treffen. "Warum auch nicht?", so Ludewig, "die Russen glaubten an einen Schamanen aus Sibirien und Mark Spitz an welche aus Australien. Und der Koerner hat auch immer die Bude voll. Bei dem Berliner Orthopäden lässt das Chemnitzer Schwimm-Ass Stev Theloke die malade Schulter kurieren, und auch die Hamburgerin Sandra Völker "ist sehr interessiert" an Koerners Diagnostik. Im Kampf um maximale Fitness, eine unerschütterliche Psyche und die letzten Hundertstelsekunden tendieren immer mehr Topathleten zu alternativen Behandlungsmethoden. Die meisten schweigen darüber - sie wollen in der Öffentlichkeit nicht als durchgeknallte Hypochonder dastehen. "Dabei kann so eine Bezugsperson wahre Wunder bewirken", bestätigt Werner Margreiter, Cheftrainer der alpinen Rennfahrer, "wenn der Athlet an sie glaubt. Der Anteil der mentalen Seite macht unheimlich viel aus."
Wie bei Hilde Gerg, die sich ein Jahr nach ihrem Kreuzbandriss mit den Plätzen zwei und fünf in den Abfahrten sowie Rang drei im Super-G von Lake Louise/Kanada furios im Weltcup zurückmeldete. Den Riesenslalom am Wochenende wird Gerg wahrscheinlich auslassen, um ihr Knie nicht zu überanstrengen. Ihr überraschendes Comeback führte die 28-jährige Lenggrieserin derweil auf die Behandlung des österreichischen Physiotherapeuten Martin Weber zurück, der Energieflüsse und Verspannungen im Körper löst. "Mir war tagelang schwindelig", so Gerg, "so viel Energie ist auf einmal geflossen. Es gibt eben doch mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als wir manchmal glauben."