Angelika Würzner / Erzähltes einer Weltumsegelung

des Skippers liebster Satzanfang: "Und das war so gewesen..."

 

PANAMA - ITALIEN

 

 

 

Jagdfieber

 

1995 Hiva Oa / Pazifischer Ozean

 

Don Friedman und seine Frau Peter Koornwinder sind an Bord, gute Freunde aus Santa Barbara / Californien, die schon einige Seemeilen der Reise mit mir geteilt haben.
Don, 66 Jahre, ein Mann von äußerst wachem Geist, ist selbst erfahrener Segler und leidenschaftlicher Hochseeangler. Diese Leidenschaft sollte uns in der Südsee, auf der Fahrt von Hiva Oa nach Nuku Hiva beinahe zum Verhängnis werden.
Am 5. Juli nachmittags segeln wir unter Genua und fixiertem Groß, der Himmel ist bedeckt, ein guter Wind schiebt uns mit sechs Knoten voran. Don hat seinen Lieblingsplatz eingenommen, die Arbeitsplattform meiner Heckkonstruktion. Im Schlepp den Köder, der Blick, hochkonzentriert, weicht nicht von der Angel. Ein Raubtier auf der Lauer, das Jagdfieber hat ihn gepackt.
Gegen 16.00 Uhr ein Ruck! Ich starte, wie immer aus Sicherheitsgründen, die Hauptmaschine, darauf die üblichen routinierten Handgriffe von Don: Angelleine einholen, Gaff ansetzen...Hoppla, Peter springt zu, der Fisch scheint riesig zu sein, aber Don wehrt brüllend die Hilfe ab, seine Jagdehre ist verletzt, den Fisch will und muss er alleine rausholen. Seinen Gegner, den er schon am Haken ein Stück aus dem Wasser reißt, hat er unterschätzt.
Wie in einer Zeitlupeneinstellung wird Don von unsichtbarer Kraft über die Reeling gezogen. Beute und Jäger tauchen in der einsetzenden Dämmerung in die 2 Meter hohen Wellen ein und mir wird schlagartig klar, dass der Alptraum eines jeden Skippers wahr geworden ist: Mann über Bord!
In einer solchen Situation erweisen sich die klassischen theoretischen Rettungsvarianten als ziemlich bedeutungslos. Ich werfe sofort den für diesen Ernstfall immer vorbereiteten großen roten Fender, als Sichtmarkierung für mich und in der Hoffnung, dass Don diese „Boje" vielleicht erreichen kann.
Die hereinbrechende Dunkelheit treibt zu äußerster Eile und bei gestellten Segeln steuere ich das Schiff hart gegen den Wind, bis ca. zehn Meter an Don heran. Meinen energischen Zuruf registriert er nicht. Er schaut in unsere Richtung, ist aber zu keiner Reaktion fähig.
Das Schiff ist wieder abgetrieben, die Segel müssen schnellstens eingeholt werden, Peter soll während des Manövers Sichtkontakt halten.
In fünf Minuten habe ich Rollfock und festgelaschtes Groß unten, aber Peter sieht von Don nichts mehr. Weitere fünfundzwanzig Minuten kommen uns wie Stunden vor, bis ich endlich den Fender entdecke. Die Hauptmaschine muss sich in unruhiger See beweisen und nach gut dreihundert Metern gegen den Wind entdeckt Peter Dons feuerrote Windjacke. Ich steuere direkt auf ihn zu und versuche so nah wie möglich heranzukommen. Sein Körper schaukelt einige Meter voraus in den Wellen, die leuchtend rote Windjacke hat einen Luftsack gebildet, wir sind gleich da...




Don Friedman

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geglückter Mai-Mai-Fang

 

 

 

Des Anglers Lieblingsplatz

 

Don Friedman konnte vom Skipper gerettet werden, doch das Jagdfieber lässt den 80-jährigen bis heute nicht los. Stolz präsentiert der Hochseeangler auf einer Mexikotour 2007 seinen Fang. Ungeachtet dessen, dass ein solcher Fisch ihn beinahe einmal das Leben gekostet hätte...

Don Friedman und sein

Blue Marlin

 


ERSTVERÖFFENTLICHUNG: JUNI 2008

LETZTE ÄNDERUNG: 5. SEPT. 2015

Aus dem deutschen Historischen Museum:
"Was für ein Leben"